Zur Geschichte des Hochgrundhauses und des Von-Halfern-Parks

Seit 1982 ist unsere Geschichte mit dem Hochgrundhaus verbunden. Das Hochgrundhaus ist die dritte Heimat unseres Waldorfkindergartens. Die Anfänge waren im Wohnzimmer der Familie Georg und Kölle. Seit 1980 lebte die erste Gruppe in einem Pavillon der ehemaligen Breuerschule am Waldrand auf dem Brüsseler Ring und seit 1982 hier im Hochgrundhaus.

Fast auf den Tag genau vor 105 Jahren, am Sonntag, dem 21. Juni 1891 waren Friedrich von Halfern, seine Familie, der Architekt Hermann Josef Hürth, Handwerker und Freund hier versammelt zur Grundsteinlegung für das neue Hochgrundhaus, das Haus in dem wir heute leben.

"Unser" Hochgrundhaus ist nicht die erste Bebauung an dieser Stelle. Schon im 16. Jahrhundert wird ein "Groutenhof" erwähnt. 1870 kauft des Essener Tuchfabrikant Gustav von Halfern (1821-1893) in Burtscheid eine Tuchfabrik, ein Stadtwohnhaus und 1,5 km vor der Stadt eine Sommerwohnung, den Groutenhof. Vielleicht war es "die hübsche Rundsicht zur Stadt hin" , die ihn zum Kauf veranlasste. Der Groutenhof bestand aus einem kleinen, einfachen Wohnhaus, nur zum Aufenthalt für wenige Tage gedacht. Weit umfangreicher waren die Wirtschaftsgebäude mit einer Gärtnerwohnung, umfangreichen Stallungen und Werkstätten, einer zweistöckigen Remise mit Kutscherwohnung, Einfahrt mit Löwen und einer Backsteinscheune auf der anderen Straßenseite. Bald wird das bescheidene Sommerhaus zu klein und Gustav von Halfern veranlasst verschiedene Anbauten und 1871 den Neubau eines Landwirtschaftlichen Gebäudes, das nach dem Tod Friedrich von Halferns an die Familie Johnen verpachtet wird. 1875 stirbt Gustav und sein Sohn Friedrich (1849-1908) erwirbt das Gut. Er kauft viele Ländereien, Obstwiesen Weiden und Wald hinzu. Sein Besitz erstreckt sich bald vom Preussweg bis zur Eupener Straße. Wieder wird an das Sommerhaus angebaut für die größer werdende Familie, Friedrich und Helene von Halfern und die beiden Kinder Carl und Else. Es entsteht das westliche Turmzimmer. Heute noch sieht man die Jahreszahl 1882 unter dem Fenster der ersten Etage. Einige Jahre später beschließt Friedrich von Halfern, mit seiner Familie ganz auf Hochgrundhaus zu wohnen. Aber die Bausubstanz des alten Hauses ist morsch und nicht zum dauernden Aufenthalt geeignet.

Das alte Haus wird bis auf das Turmzimmer niedergelegt und Friedrich von Halfern beauftragt den Architekten H. J. Hürth, ein neues, prächtiges Landhaus zu bauen. Mit seinen beiden Türmen, der reich verzierten, neobarocken Fassade, einem Mittelrisalit mit Türmchen und einem Portikus mit zwei Säulen gleicht es einem Schloss und ist so auch ein Statussymbol des industriellen Unternehmertums des ausgehenden 19. Jahrhunderts. Friedrich beaufsichtigt die Bauarbeiten oft selber und wohnt dann in dem Turmzimmer oder im angrenzenden Pächterhaus. Das Pächterhaus wird mit einem Bogengang mit dem Herrenhaus verbunden. 1892 im Herbst ist das Haus fertig. Gustav von Halfern lässt um das Haus herum einen Park anlegen. Gleichzeitig mit dem Baubeginn des neuen Hauses beauftragt Friedrich von Halfern den Aachener Stadtgärtner Grube, den Park zu vergrößern und nach dem Vorbild englischer Landschaftsgärten auszubauen und entsprach damit den Ideen seiner Zeit. Friedrich ist ein leidenschaftlicher Baumliebhaber. Er gründet einen Tannengarten, in dem die Gärtnerin Clara aus seltenen und auch exotischen Samen Bäume zieht, die in den Park gepflanzt und auch bis nach Berlin hin verkauft werden.

Heute, 100 Jahre später, sind noch einige dieser prächtigen Bäume zu bewundern. Im Park wird ein Tempelchen gebaut, Brunnen und eine künstliche Grotte vervollständigen das Bild. In dieser künstlichen Grotte, der Räuberhöhle, wird ein Fries eingemauert, der Heinzelmännchen als Hausgeister darstellte. Leider sieht man heute nur noch die leeren Wände. Aber die Heinzelmännchen sind vielleicht noch im Haus und im Park. Aber auch Sportstätten werden angelegt, ein Tennisplatz, ein Krocketplatz und sogar eine Turnhalle werden gebaut. 1902 fegt ein heftiger Wirbelsturm über das Gut hinweg und richtet erheblichen Schaden im Park und im Wald an. Wochenlang war die Lütticher Straße von umgestürzten Bäumen versperrt. Sechs Wochen lang haben die Aufräumarbeiten gedauert und wieder hat das Pferd "Tante" gute Dienste geleistet.

Friedrich erweitert aber auch den Obst- und Gemüseanbau. Auf dem Gut arbeiteten außerdem ein Förster mit seiner Familie, die Gärtnerfamilie, Kutscher, Knechte und Mägde und natürlich die Hausangestellten. Viele Menschen haben miteinander und nebeneinander hier gelebt und waren auf das Miteinander angewiesen. Am 5.April 1908 stirbt Friedrich von Halfern. Sein Sohn Carl übernimmt das Gut. Er lebt mit seiner Familie in Saarbrücken und wird später Regierungspräsident in Hildesheim. Helene von Halfern lebt weiterhin auf dem Gut und verwaltet es. Seit 1909 sorgt der Pächter Wilhelm Johnen für die Landwirtschaft mit Milchviehhaltung und Gemüseanbau. Drei Generationen lang hat die Familie Johnen, zuletzt wieder ein Wilhelm Johnen, bei dem wir Milch und Eier gekauft haben in dem Pachthof gelebt und gearbeitet, bis er im Mai 2001 in den wohlverdienten Ruhestand gegangen ist. Auch der Name Wolters ist schon seit 1880 auf dem Gut verbürgt. Friedrich hatte auf dem Gelände Königswinkel jenseits der Eupener Straße einen Aussichtsturm gebaut um den Blick auf Aachen und Burtscheid zu genießen. Herr Wolter und "Tante" haben die Steine vom abgebrochenen Pulverturm auf die Baustelle gebracht und zusammen mit dem Förster vermauert.

Heute versorgen uns Erwin Wolters, ein Namensvetter und seine Frau zuverlässig mit Lebensmitteln und was wir uns sonst von ihnen wünschen aus ihrem Demeter Markt. Die "Tante" ist nicht mehr dabei.

Während des ersten Weltkriegs wird das Gut von den Belgiern in Besitz genommen. Major van den Berghe, hütet das Anwesen sehr sorgfältig. Zwei Tassen und eine Meissner Schüssel fehlen, als der Major das Gut verlässt. "Und selbstverständlich hat er sie uns aus seinem Privatvermögen ersetzt" , schreibt Karl-Georg Lipschitz, der Enkel von Friedrich und Helene von Halfern in seinen Erinnerungen an Gut Hochgrundhaus, die im Stadtarchiv Aachen zusammen mit einigen Fotos und Schriftstücken aus der Anfangszeit des Gutes im 17. Jahrhundert verwahrt werden. 1919 verbringt Helene von Halfern zum letzten Mal den Sommer auf Gut Hochgrundhaus. Im gleichen Jahr wird das erste elektrische Kabel als Überlandleitung von der Lütticher Straße zum Hochgrundhaus verlegt. Wasser gab es auf dem Gelände des Gutes in mehreren Brunnen und zwei Teichen. Seit 1898 ließ die Stadt Wasser auf die Karlshöhe pumpen und Hochgrundhaus erhielt einen städtischen Wasseranschluss.

Carl von Halfern sieht, da er evangelisch war, keine Möglichkeit für eine entsprechende Anstellung in Aachen und 1925 verkauft er das Gut und die Ländereien "für einen mäßigen Preis" an die Stadt Aachen. Das Herrenhaus wird zu in einem Tagesheim für lungengefährdete und andere erholungsbedürftige Schulkinder.

Der Park ist seitdem für die Öffentlichkeit zugänglich. Während der beiden Weltkriege ist er nicht gepflegt worden und stark verfallen.

Seit ungefähr 1950 sorgen das Stadtgartenamt und die "Parkwächter" für den wertvollen Baumbestand und die Anlagen. Die Kinder füllen den Park jeden Tag mit Leben. Sie benutzen ihn mit unbekümmerter Lebensfreude, sie geben ihren Lieblingsplätzen Namen und lassen sich vom Geist der alten Bäume in ihr Spiel mitnehmen. In der Phantasie der Kinder lebt die Naturbegeisterung der Familie von Halfern weiter.

Das Hochgrundhaus hat seit dem Verkauf an die Stadt eine wechselvolle und zu Zeiten auch dunkle Geschichte. Die Aachener Schulkinder bleiben nicht lange, der belgische Zoll besetzt das Haus und Wilhelm Johnen "musste erstklassige Milch beckenweise täglich liefern während Aachener Kinder sie entbehrten." Seit den 30er Jahren war das Haus Polizeikaserne. Freiwillige Berufspolizisten im Dienst der Nationalsozialistischen Regierung waren hier stationiert. Wilhelm Johnen erinnert sich, dass sie "Zwölfländer" genannt wurden, und aus dieser Zeit stammt wohl auch die Umzäunung. Im April 1944 musste Aachen und auch Hochgrundhaus den heftigen Angriffen standhalten. Aachen wurde schwer getroffen. Wie durch ein Wunder gab es im Haus nur Glasbruch. "1945 besetzten die Amerikaner das Haus und warfen alle Akten aus den Fenstern." (Johnen)

Nach dem Krieg wurden Polizeiwohnungen im Haus eingerichtet, die später, in den 50ger Jahren von Bedürftigen und sozial Schwachen bewohnt wurden. Während der Pockenepedemie um 1963 wurde in einer Blitzaktion das Haus zur Quarantänestation umgebaut und musste jahrelang für einen eventuellen Notfall zur Verfügung stehen. Es wurden zwar kranke Menschen in das Gärtnerhaus eingeliefert, aber ein Pockenfall hat sich nie bestätigt. 1964 wurde ein Schwesternwohnheim für die Schwestern und Kinderpflegerinnen des Klinikums eingerichtet. Ende der 70er Jahre übernahm die Arbeiterwohlfahrt das Haus und baute es um zu einem "Haus für geschlagene Frauen." Die Randgebietslage erschwerte die Arbeitsbedingungen und führte 1981 zum Ende des Projektes.

1982 hat der Verein zur Förderung der Waldorfpädagogik das Haus von der Stadt Aachen gepachtet mit der Auflage, es zu erhalten. Das Haus war lange Jahre nur benutzt und nicht gepflegt worden. Den Menschen, die in den letzten Jahren darin gelebt hatten, war es nicht wichtig.

Das war jetzt anders, die Kinder, Eltern und Erzieher hatten ein großes Interesse an der Gestaltung ihrer Umgebung. Im Erdgeschoss sind zwei Kindergartengruppen entstanden. Die erste Gruppe links in den ehemaligen Wirtschaftsräumen und die zweite Gruppe rechts im Jagdzimmer und im Wohnraum. Mit großem Einsatz und einem Etat von DM 100.000 haben die Eltern unter Leitung der Architekten Peter Lorenz und Alwin Scharkin die Räume für die Kinder hergerichtet, Wände herausgebrochen und eingezogen, die Wände, Decken und Fußböden bearbeitet, Waschräume umgestaltet und mit liebevollen Details Räume geschaffen, in denen sich 50 Kinder, ihre Eltern und ihre Erzieher wohl fühlen können.

Die große Eingangshalle sollte eine besondere Wandgestaltung bekommen. Viele Ideen sind entstanden. Achim Lehmann, ein Künstler, der heute in Karlsruhe lebt, überzeugte schließlich mit seinem Entwurf und es entstanden die beiden Märchenscenen rechts und links. Auf der ersten Etage entstanden eine Hausmeisterwohnung, ein Eurythmieraum und einige kleine Zimmer in denen Gäste schlafen konnten. Die zweite Etage stand lange leer. Heute sind auch dort Wohnungen entstanden, die der Verein vermietet. Schon bald zeichnete sich ab, dass mehr Kinder in den Kindergarten drängten, als aufgenommen werden konnten. 1986 begann die Initiative zur Gründung einer dritten Gruppe. Lange und intensiv wurde diskutiert, wo denn die neue Gruppe eingerichtet werden sollte, in der Hausmeisterwohnung, in einem Neubau neben dem Haus, im Eurythmieraum oder neben der neugegründeten Schule im Park des alten Klinikums. Es wurde der Entschluss gefasst neben der Schule später einen neuen Kindergarten zu bauen für vier Gruppen, jetzt aber im Eurythmieraum mit der dritten Gruppe zu starten. Wieder wurden Wände herausgerissen, eingestellt, renoviert und lasiert, Waschräume für die Kinder umgestaltet und Nebenräume hergerichtet. Im Sommer 1989 konnten die neuen Kinder mit Frau Leopold, damals noch Frau Cossé die neu gestalteten Räume in Besitz nehmen. Irgendwann ist der Wunsch nach einem Neubau eingeschlafen.

Seit 1982 leben und arbeiten wir nun mit und in dem großen, alten Haus. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ich das Hochgrundhaus nicht halbherzig bewohnen kann. Es fordert immer wieder meine ganze Aufmerksamkeit, es fordert die große Geste, nicht nur die kleine Handbewegung. Es gab lange, glanzvolle Zeiten auf Hochgrundhaus mit vielen Menschen die die sich dort wohl fühlten und es gab dunkle Zeiten in denen das Haus und der Park verfielen. Jetzt sind Haus und Park wieder voller Menschen, die gerne dort sind. Das Haus macht es mir nicht leicht, aber wenn es voller Kinder ist leuchtet ein wenig von dem alten Glanz auf.

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